Off the maps
Sabine und Andy bereisen wie wir seit 2 Jahren die Panamericana. Leider trafen wir uns nie persönlich, trotzdem durften wir die ersten Reisenden sein, welche sich in der Beitragsreihe Reisende auf und neben der Panamericana vorstellen.
Weitere Reisende aus der Beitragsreihe findet ihr auf der Website: travel-offthemaps.com
Wie lange seit ihr schon unterwegs?
Wir sind Juni 2015 in Baltimore gestartet (südlich von New York). Die Route führte durch Kanada nach Alaska bis zum nördlichsten befahrbaren Punkt am Eismeer, Quer durch die U.S.A., Mexiko, Belize, Guatemala, El Salvador, Honduras, Nicaragua, Costa Rica, Panama, Kolumbien, Ecuador, Peru, Bolivien, Chile, Argentinien, Paraguay, Brasilien bis nach Uruguay, pünktlich zum 2-jährigen Reisejubiläum.
Wie lange wollt ihr noch unterwegs sein?
Von wollen kann keine Rede sein, die Reiselust ist noch lange nicht gestillt. In der Reisekasse herrscht bald Ebbe und wird spätestens im Sommer 2017 nichts mehr hergeben. Momentan befinden wir uns im Dreiländereck Argentininen-Brasilien-Paraguay auf dem Weg nach Norden.
Nach Paraguay wird kurzentschlossen noch Süd-Brasilien entdeckt und zum Abschluss Uruguay. Dort wird die Reise beendet und der Laster zurück nach Deutschland verschifft. Vielleicht hängen wir noch einen Urlaub in Kuba hinten dran – um aus den besuchten 19 Ländern die schöne Zahl 20 zu machen und uns vom Reisen etwas erholen.
Reisefahrzeug
War von Anfang an klar, dass ihr die Panamericana mit einem Fahrzeug bereisen wollt? Wieso? Hattet ihr davor bereits Erfahrung mit dem Reisen mit Fahrzeug?
Unsere erste grosse Reise mit unserem Mercedes 319 (Baujahr 1964) ging auf dem Landweg nach Indien. Dabei sind wir auf den Geschmack gekommen und beschlossen am Strand von Goa, die längste Strasse der Welt befahren zu wollen.
Für welches Fahrzeug habt ihr euch entschieden? Weshalb?
In Goa lernten wir Amelie und Till mit ihrem grünen Frosch-Laster kennen. Wir waren sofort verliebt in dieses Reisemobil. Nachdem den beiden nach der Geburt ihres 2. Kindes entschieden ihn aus Platzmangel zu verkaufen, haben wir sofort zugeschlagen.Wie schon bei unserem Mercedes 319 wollten wir ein robustes, grosses Fahrzeug ohne Elektronik und anderen Schnickschnack, um jederzeit selber Hand anlegen zu können.
Was hat die Anschaffung gekostet?
Inklusive H-Zulassung haben wir 18.900 Euro bezahlt.
Habt ihr den Ausbau selber vorgenommen?
Nach euren jetzigen Erfahrungen: würdet ihr euch nochmals für das gleiche Fahrzeug entscheiden? Wieso? Wieso nicht?
Wie viel Treibstoff verbraucht euer Fahrzeug pro 100 Kilometer durchschnittlich?
Wie viel habt ihr auf der Panamericana für Reparaturen ausgegeben?
Leben on the road
Wie sind eure sanitären Verhältnisse? Habt ihr ein Wc, eine Dusche?
Wie kocht ihr unterwegs? Esst ihr auch auswärts?
Wir haben einen kleinen Gaskartuschenkocher, wenns mal schnell gehen muss oder für den Kaffee am Morgen. Innen nutzen wir einen portablen Spiritusherd (Alkohol gibt es in jeder Apotheke). Für draussen haben wir einen Coleman-Benzinkocher, unseren Liebling – einen Coleman-Backofen und natürlich einen Grill dabei.
In für uns günstigen Ländern gehen wir öfter essen. Ich kann mich nicht erinnern, in Kolumbien überhaupt einmal gekocht zu haben, dafür war es dort einfach zu lecker und günstig. In Chile und Argentinien haben wir es gänzlich aufgegeben, ein Restaurant zu besuchen. Es ist zu teuer und geschmeckt hat es auch nicht.
Wie navigiert ihr?
Anfangs nur mit einem Garmin Nüvi und Karten von Openstreetmaps. Mittlerweile aber nur noch per maps.me auf dem Smartphone, da hier die Integration von iOverlander viel angenehmer ist. Für die Routenplanung ist Michi zuständig, und sie schwört auf die guten alten Reisekarten.
Wie wichtig ist euch Internet/Wifi unterwegs? Was unternehmt ihr, um davon Gebrauch machen zu können?
Könnt ihr Spanisch? Habt ihr vor Reisestart einen Kurs besucht? Oder unterwegs?
Learning by Doing. Wir haben in Mexiko mit dem Sprung ins eiskalte Wasser begonnen. Die ersten Wörter lernten wir von den Verkehrsschildern. Bei Gesprächen bleibt so einiges hängen und mit der Zeit schnappt man auch ziemlich schnell neue Vokabeln auf. Wir sprechen also auf jedenfalls besser Spanisch als wir schreiben können 😉
Wo übernachtet ihr mehrheitlich? Frei? Auf Campingplätzen? Aufgrund welcher Kriterien wählt ihr eure Plätze aus?
Was hat euch am meisten erstaunt am Unterwegssein mit dem Auto?
Wir sind fasziniert von der Freiheit, die uns das Reisen mit den eigenen vier Wänden bietet. Gerne abseits des Tourismus und unabhängig vom Rest der Welt. Wir entscheiden, wohin und wann es weitergeht.
Das praktische am Reisen mit dem eigenen Fahrzeug (speziell mit einem LKW) ist, dass man eigentlich überall anhalten und übernachten kann – auch an weniger schönen Ecken oder wenn das Wetter mal nicht passt. Sobald die Türe zu ist, ist man Zuhause und kann vergessen was sich um einen herum abspielt.
Was unternehmt ihr, um euch sicher zu fühlen?
Habt ihr etwas Negatives erlebt? Habt ihr euch manchmal unsicher gefühlt? Hattet ihr irgendwo richtig Angst?
Vor einigen Jahren reisten wir mit unserem Frosch durch Marokko und hatten ein prägendes Erlebnis. Wir wurden im Laster überfallen und ausgeraubt. Das hat uns sehr zu denken gegeben. Als der erste Schock überwunden war, analysierten wir, was falsch gelaufen ist und in Zukunft vermieden werden kann.
Auf dieser Reise ist bis jetzt nie etwas passiert. Ob es einfach Glück ist oder an unseren Massnahmen liegt, ist schwer zu beurteilen. Zur Abschreckung vor Einbrüchen warnt ein grosses Schild am Laster vor einem Wachhund. Andere Reisende klagten über Überfälle und Einbrüche in die Fahrzeuge, was vor allem in Städten passiert war.
Wie geht ihr mit dieser Angst um?
Grenzgeschichten: Habt ihr eine erlebt, die aussergewöhnlich schlimm, schön, mühsam war?
Die Grenzen in Zentralamerika waren allesamt Erlebnisse: Alle waren sie schlimm und mühsam, und aussergewöhnlich schön, wenn es durchgestanden war
Traurig war vor allem Michi, Mexiko zu verlassen. 5 Monate haben wir insgesamt dort verbracht und es war eine ganz besondere Zeit für unsere Familie in diesem Land.
Lieblinge
Habt ihr ein Lieblingsland?
Habt ihre eine Lieblingsstrecke? Falls ja, wo ist sie? Warum ist es eine Lieblingsstrecke?
- Der Dalton-Highway zum Beispiel in Alaska – die Bärenbilanz war überragend.
- Die Trampolin de la muerte in Kolumbien (besser als die Death-Road in Bolivien!)
- Der Canon del Pato in Peru – 35 dicht aufeinander folgende Tunnel durch einen beeindruckenden Canyon.
- Der Paso Agua Negro zwischen Argentinien und Chile mit seinen Büßerschneefeldern. Für Michi der klare Favourit.
Habt ihr einen Lieblingsstellplatz?
Habt ihr eine Lieblingsbegegnung? Mit Menschen? Mit Tieren?
Eine besondere Freude ist es für uns, die Tierwelt in ihrer natürlichen Umgebung zu entdecken. In Alaska die Bären, in Mexiko die Schmetterlinge in Costa Rica Affen, Faultiere, Papageien, Krokodile. Im Andenhochland die Lamas, in Patagonien die Nandus, Füchse, Stinktiere und Gürteltiere und als I-Tüpfelchen in der Pampa die Pinguine.
Besonders freut es uns immer, neue Reisebekanntschaften zu machen, und diese dann unvermittelt tausende Kilometer später durch Zufall wieder zu treffen. So sind schon einige gute Freundschaften entstanden.
Für uns als Eltern ist es immer wieder faszinierend zu beobachten, wie unsere Kinder, vor allem natürlich Romy, schnell Freundschaften mit anderen Kindern schliesst. In unterschiedlichen Sprachen wird zusammen gespielt und es funktioniert ohne Verständigungsprobleme.
Reisedauer
Was denkt ihr, ist die ideale Reisedauer für die Panamericana?
Es gibt Reisende mit einem Jahr, andere mit 3-4 Jahren Zeit. Die meisten sind 2 Jahre unterwegs so wie wir, und das ist ein gutes Zeitfenster.
Die reine Panamericana fährt meist keiner, – die meisten Sehenswürdigkeiten liegen abseits dieser „Strasse“. So werden aus der ursprünglichen Länge von 25.000 Kilometern in unserem Fall um die 100.000 km.
Einiges mussten wir aus Zeitgründen oder aufgrund der Jahreszeit auslassen – ein weiteres Jahr wäre optimal.
Falls ihr die Reise schon beendet habt: Decken sich die Vorstellungen von vor der Reise, mit den Erfahrungen nach dem Bereisen der Panamericana?
Warum findet ihr, zwei Jahre die ideale Reisedauer?
Angenommen ihr hättet weniger Zeit zur Verfügung. Würdet ihr trotzdem die ganze Panamericana befahren? Falls nein, welche Region, welchen Teilabschnitt?
Persönliche Eindrücke und Erfahrungen
Was ist für euch persönlich das Schwierigste unterwegs? Was das Schönste?
Täglich müssen wir uns neu zurechtfinden und organisieren. Die Schmutzwäsche mit Hand zu waschen ist ein Knochenjob, die Kinder können nicht mal so abgeschoben werden und noch im grössten Chaos heisst es Zähne zusammenbeissen um durchzukommen.
Es ist ein Leben ohne Luxus und doch möchten wir keinen Tag davon missen.
Das Schönste: Jeder Tag steckt voller neuer Überraschungen und wir entscheiden, was wir daraus machen.
Was macht ihr, wenn bei Streit habt?
Ist es euch manchmal zu eng, zu nah im Reisefahrzeug?
Welches ist eure bisher wertvollste Erfahrung?
Freiheit und eine Familie mit sehr viel gemeinsamer Zeit, dafür sind wir sehr dankbar. So richtig bewusst wird uns das wohl erst bei unserer Rückkehr werden, vor der es uns schon graust wieder bei Null anzufangen.
Auch wenn wir Deutschland den Rücken zugewandt haben um die Welt zu entdecken, es ist ein sehr lebenswertes Land und wir wissen es sehr zu schätzen, das Glück gehabt zu haben dort geboren zu sein. Zuviel Elend und menschenunwürdige Bedingungen sind uns begegnet und machte uns oft unser Privileg und die daraus resultierenden Möglichkeiten bewusst.
Geld und Reisefinanzierung
Wie könnt ihr euch diese Reise leisten? Habt ihr gespart, geerbt oder arbeitet ihr unterwegs?
Wir haben weder im Lotto gewonnen, noch wurden wir von der Familie unterstützt.
Michi ist von Natur aus nicht verschwenderisch und ihr ist es deshalb nie schwer gefallen Geld anzusparen – und es gab auch Zeiten, da bekam man für das Geld noch Zinsen.
Neben dem Hauptjob wurde Pizza gebacken, gekellnert, kassiert. Ein Teil des Budgets stammt aus Verkäufen unseres Haushaltes.
Wer auf Markenkleidung, ein neues Auto, die 10.000-Euro-Küche, den neuesten Flachbildschirm und das jährlich neue Smartphone verzichtet, kann bereits nach einem Jahr für mehrere Monate Low-Budget durch die Welt reisen.
Meistens liegt es unserer Erfahrung nach nicht am Geld, warum Menschen nicht reisen, sondern weil ihnen der Mut fehlt den ersten Schritt in ein Leben jenseits der vermeintlichen heimischen Sicherheit zu wagen. Ist dieser erste Schritt getan, schafft man alles andere auch!
Falls ihr von unterwegs arbeitet, wie verdient ihr Geld?
Das war bei uns erste Priorität: Wir wollen in dieser Zeit nicht arbeiten, sondern ganz für unsere Kinder da sein.
Jetzt kommt's: wenn ihr noch unterwegs seid: wie viel gebt ihr pro Monat aus?
Das ist von Land zu Land unterschiedlich, Alaska und Kanada, Chile und Argentinien sind sehr teuer, Mexiko, Peru und Bolivien sehr günstig. In Ecuador bezahlten wir mit 20 Cent pro Liter den günstigsten Dieselpreis und konnten mit unseren 1000-Liter Tanks erheblich einsparen.
Im Schnitt sind es etwa 1.500 Euro pro Monat für 4 Personen.
Wenn ihr die Reise auf der Panamericana bereits beendet habt: Wie viel hat eure gesamte Reise gekostet?
Alles zusammen ungefähr 50.000 Euro, zusammengesetzt aus folgenden Posten:
- Flüge Deutschland-USA, Panama-Kolumbien, Montevideo-Deutschland: 3.000 Euro
- Verschiffung Deutschland-USA, Panama-Kolumbien, Montevideo-Deutschland: 7.500 Euro
- Diesel: 15.000 Euro
- Campingplätze, Apartment Mexiko und Costa-Rica: 4.000 Euro
- Täglicher Bedarf, Eintrittspreise: 20.000 Euro
Sind im Schnitt monatlich 1.600 Euro für Essen, Diesel, Eintritte, Stellplatzgebühren. - Wir waren aus Kostengründen nicht auf den Galapagos Inseln und auch nicht in der Antarktis.
- Da selten ein Campingplatz angefahren wird, sparen wir auch hier enorm.
- Insgesamt variieren die Kosten stark nach Reiseroute, Ländern, Geschwindigkeit und den eigenen Bedürfnissen.
Was möchtet ihr noch loswerden?
Viele bewundern uns für unseren Mut – wir sind an unseren Aufgaben gewachsen und hätten uns im Vorfeld nicht träumen lassen, mit welchen Situationen wir auf dieser Reise konfrontiert werden.
Viel zu spät begreifen viele die versäumten Lebensziele: Freuden, Schönheit und Natur, Gesundheit, Reisen und Kultur. Darum, Mensch, sei zeitig weise! Höchste Zeit ist’s! Reise, reise!
Zur Originalversion des Interviews: http://travel-offthemaps.com/panamericana-on-the-road-mit-hippie-trail/