01.09. – 18.09.2016
Mit einem lachenden und einem weinenden Auge ließen wir Kolumbien hinter uns; ein Land von dem uns jeder Reisende vorschwärmte und dem wir uns 100-prozentig anschliessen können. Dennoch waren wir überaus gespannt, was uns in Ecuador, dem 12. Land unserer Reise erwartete. Über den obligatorischen, gut gefüllten Grenzfluss fuhren wir ins neue Abenteuer.
Die Migration ließ sich überraschend schnell abwickeln, binnen weniger Minuten waren wir drin. Der Zoll wäre auch kurzweilig verlaufen, hätten sich nicht ständig einfach Leute dazwischen geschoben, die „nur mal kurz“ eine Frage hatten. Dafür fiel der Papierkram komplett weg. Keine Kopien in x-facher Ausfertigung, kein Hin- und Hergerenne von Schalter A zu Schalter B, und das Beste: keine Versicherung für den Frosch. Das übernimmt der Staat. Da sagen wir schon mal vielen, vielen Dank!
Des weiteren freute sich die Reisekasse über die Dieselpreise: Für $1.03 USD (umgerechnet 0,20 Euro/Liter) fliesst hier die Gallone, billiger als Wasser und nirgendwo anders auf unserer Reise werden bzw. konnten wir zu diesem Spitzenwert tanken.
Der Nachmittag war bereits hereingebrochen und ohne Umwege fuhren wir die etwa 140 Kilometer bis zur Finca Sommerwind nahe Ibarra. Die deutsche Auswandererfamilie Patricia, Hans und Dörit haben hier ein Overlander-Paradies geschaffen, auf das wir uns schon seit Wochen gefreut haben.
Direkt an der Lagune Yahuarcocha gelegen, mit einem herrlichen Blick auf die Vulkane – den ersten, die wir in Ecuador zu sehen bekamen. Viele hier sind über 4.000 Meter, gar ein paar wenige über 5.000 Meter und einer sogar über 6.000 Meter. Sie stehen nicht im Bergmassiv, sondern als einzelne Berge da, majestätisch, allein in den Himmel ragend und je nachdem tragen sie eine weisse Kappe. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit rollten wir auf den Hof und fanden gerade noch so neben unseren Reisefreunden Manni und Daggi einen Stellplatz.
Die Finca war gut gefüllt mit Reisenden, die entweder wie wir von Nord nach Süd, oder in entgegengesetzter Richtung unterwegs waren. Somit gab es wieder jede Menge Gesprächspartner, mit denen fleißig Landkarten, Tipps und Geschichten ausgetauscht werden konnten.
Eine ganz besondere Freude war es, auf unsere Bekannten Petra und Stefan zu treffen. Die beiden lernten wir vor 6 Jahren auf unserer Überlandreise nach Indien kennen, und der Frosch – damals noch in Besitz von Till und Amelie – parkte direkt neben dem riesigen weissen MAN-Kat unter den Palmen von Goa.
2 Wochen verbrachten wir auf der Finca, und im Nachhinein rätselten wir des öfteren, wohin die Zeit geflogen ist. Tagsüber wurde der schöne Stellplatz in ein Schlachtfeld verwandelt um fleißig an den Fahrzeugen zu basteln. Die Wochenenden boten sich an, um die Flex auszupacken. Da direkt gegenüber die Autorennstrecke lag und dort ordentlich Gas gegeben wurde, war an eine Unterhaltung eh nicht zu denken und es konnte auch von unserer Seite her kräftig Krach gemacht werden. Der Frosch hat jetzt einen neuen Kran auf dem Dach, der es Thorben ermöglicht, ohne Fremde Hilfe den 120 Kilogramm schweren Ersatzreifen nach unten beziehungsweise wieder nach oben zu befördern.
Jeden Samstag Abend fand immer ein grosses Barbecue statt
und an den Sonntagen hatte das Cafe geöffnet, wo man Mittags zur Currywurst zusammen saß und Nachmittags die Qual der Wahl hatte, welchen leckeren Kuchen man sich zum Kaffee genehmigt.
Während die Männer beschäftigt waren, hüteten ich und Ersatzoma Daggi die Kinder, wobei Romy wieder einmal kaum gesehen wurde, da der kleine Karl einen hervorragenden Kumpel abgab. Eine Premiere für unser Mädchen, das nach 1,5 Jahren zum ersten Mal wieder mit einem deutschen Kind spielen konnte.
Zum Ausgleich nahm ich mir einen Tag frei und fuhr mit Daggi nach Otavalo, dort ist jeden Samstag grosser Markt. Pünktlich zum Sonnenaufgang hupte unser Taxi vor dem Tor und fuhr uns zum Busbahnhof. Für den Fahrpreis gilt die Faustregel: Eine Stunde für einen US-Dollar, und somit war die Busfahrt in die 30 Kilometer entfernte Stadt mit 0,55 Euro ein wahres Schnäppchen und es machte Spaß mitzufahren.
Ständig hing sich der Co-Pilot aus der offenen Tür heraus, um nach neuen Fahrgästen Ausschau zu halten und sie lauthals schreiend in den Bus zu lotsen. An bestimmten Punkten sprang er aus und stempelte, da die Busfahrer nicht nach Fahrgästen sondern nach Runden bezahlt werden. Was haben wir schon geschimpft über die vor den gefährlichsten Kurven überholenden verrückten Gefährten. Zwischendrin liefen immer wieder Verkäufer durch den Bus, die Eis, Getränke oder Süssigkeiten an den Mann oder die Frau bringen wollten, es wurde also nicht langweilig.
Am äussersten Ortsrand von Otavalo begann unser Marktausflug – beim grossen Viehmarkt. Dieser beginnt 6 Uhr morgens und endet bereits wieder um 9 Uhr. Fasziniert von dem bunten Treiben standen wir eine Weile abseits, bevor wir uns in das Gedränge wagten. Überall blökte, quiekte und muhte es, Tiere wurden über den schlammigen Platz gezerrt und auf die Ladefläche von Pick-Ups verfrachtet oder an der Leine nach Hause gezerrt. Der Markt ist nichts für schwache Nerven und Tierschützer würden bei diesem Anblick wohl die Krise bekommen. Es war ein tierisches Gewusel und wir mussten Obacht geben, vor lauter Zuschauen und Fotografieren nicht unter die Hufe zu geraten.
Beschaulicher, jedoch auch nicht tierfreundlicher, ging es dann auf dem Kleintiermarkt zu. Hier lagen Hühner paarweise an den Beinen zusammengebunden in Kisten gestapelt, Hasen wurden im Sechserpack an den Ohren herumgetragen, kleine Hundewelpen in Pappkartons zum Verkauf angeboten.
Meerschweinchen warteten in Körbchen auf Ihren neuen Besitzer, um anschliessend im Kochtopf zu landen.
Bunte Küken
Wachteln samt Eiern
Neben dem ganzen Schauspiel erfreuten wir uns an den prächtigen Trachten der Otavalenos. Die Frauen tragen die traditionelle Tracht aus dunkelblauem Wickelrock, bestickter weisser Bluse, Tuch auf dem Kopf und enganliegende Goldketten. Die Männer weisse knöchellange Hosen mit Bügelfalte, Poncho und Hut, unter dem ebenfalls ein langer Zopf hervorlugte.
Herrliche Zöpfe, die bei Mann und Frau ins Auge stachen und in den unterschiedlichsten Variationen. Offen, mit Bändern verziert oder am schönsten lang geflochten.
Voll mit neuen Eindrücken verliessen wir den Viehmarkt und fuhren ins Zentrum von Otavalo, um einen weiteren Markt zu besuchen. Den berühmten Big Poncho Market am Plaza De Los Ponchos. Von oben betrachtet lässt sich nicht erahnen, wie vielfältig das Angebot ist.
Die Stände vom grossen Marktplatz ziehen sich weit in die Seitengassen – das ganze Stadtzentrum ist ein einziger, riesiger Platz zum Handeln – und alle sind auf den Beinen, da für jeden was dabei ist.
Traditionelle Kleidung
Antiquitäten
Schnickschnack für Touristen
natürlich auch Ponchos und traditonelle Mützen
feine bunte Tücher und Stoffe
Kunsthandwerk
und jede Menge Essen
Bis zum Plaza Bolivar trugen uns die müden Füsse, wo wir gemeinsam mit den Einheimischen auf den Grünflächen des Parks entspannten, bevor es wieder zurück nach Ibarra ging.
Auch das nahegelegene Ibarra ist ein perfekter Ort um sich mit Lebensmitteln und anderen Notwendigkeiten einzudecken. Das Angebot ist unbeschreiblich und wenn man schon so lange unterwegs ist, fühlt man sich hier wie in einem Paradies. Hat man nach dem Shopping noch Lust und Laune, bietet sich die angenehme kleine Stadt wunderbar an, um durch den Altstadtkern zu flanieren. Sie bietet keine grossartigen Highlights, lässt einen jedoch sofort in das dortige Leben eintauchen und man verschmilzt mit den unterschiedlichsten Kulturen und Hautfarben, die hier friedlich zusammen leben.
Als auch der letzte Overlander vom Platz gefahren war, nahmen wir dies als Zeichen, uns auch wieder auf die Reise zu begeben. Die Wäsche war durchgewaschen, der Kinderarzt hatte Levi geimpft, für unsere Weiterreise in die großen Höhen durchgecheckt und die neue Babytrage hat Dank des Postfachs von Hans auch zu uns gefunden. Hier noch einmal ein grosses Dankeschön an Patrizia und Hans, die uns bei all unseren kleinen und großen Problemchen weitergeholfen haben und für die schöne Zeit auf der Finca.
Anstatt nach Süden zu fahren, kehrten wir zurück in den Norden, kurz vor die Grenze zu Kolumbien. Zwischenstopp war die Grotte von La Paz. Über einen steilen Fussmarsch stiegen wir in die Kalksteinhöhle hinab und trauten unseren Augen kaum. Ein reissender Fluss bahnte sich durch die Grotte und mittendrin kleine Kapelle zu deren Decke die Fledermäuse kreisten.
Pilgerer zündeten neben den riesigen Stalagmiten Kerzen an, überragt von der in einem Blumenmeer wachenden Skulptur der Jungfrau Maria. Gesegnet spazierte man anschliessend ein paar Meter weiter, entledigte sich seiner Kleidung und konnte in den heissen Quellen mit Blick auf den Canyon baden.
Romy war gut ausgepowert nach dem planschen, aber klein Levi brauchte zum runterkommen noch einen Spaziergang mit Papa. Wir übernachteten auf dem Parkplatz der Kathedrale und nach wenigen Minuten war Thorben schon wieder zurück – im Schlepptau eine Ecuadorianische Großfamilie. Neugierig wurden jede Menge Fragen gestellt und erst nachdem jede beantwortet war und von Großmutter bis Urenkel jeder einmal in unser Zuhause geklettert war und aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen war, konnte die Tür geschlossen werden und unser Baby seinen wohlverdienten Schlaf bekommen.
Früh am nächsten Morgen verliessen wir den Canyon wieder über abenteuerliche Pisten mit Ausblick in die tiefe Schlucht und arbeiteten uns nach kurzer Strecke auf der Panamericana nach El Angel nach Westen vor und erneut ruckelnd in die Abgeschiedenheit der Berge bis in den Nationalpark Al Angel. Die Piste wechselte in eine 15 Kilometer lange schlechte Pflasterstrasse, was uns gar nicht störte, da die Landschaft für alles entschädigte. Im Hoch-Panorama am Strassenrand waberte wachsendes Andengras und wechselte kurz darauf in einen einzigartigen Staudenwald der Mönchsgewächse. Die Frailejones mit ihren filzartigen Blättern trotzen der eisigen Kälte der Anden und wenn durch den Nebel die Sonne blitzte, leuchteten sie hellauf.
Auf dem höchsten Punkt des erloschenen Vulkans Chiles, auf 3.700 Metern angekommen, verliessen wir den Laster. Dick eingepackt in Pullover, Schal, Mütze und Wanderstiefeln wurden wir von einem gar nicht scheuen Andenfuchs begrüsst.
Über einen 3 Kilometer langen Wanderpfad spazierten wir durch die herrliche Landschaft , Romy streichelte fröhlich die weichen Blätter der Frailejones, die wir Ihr aus Kaninchen-Ohren verkauften und ich freute mich ebenso wie ein Kind über die neue Babytrage, aus der Levi auf meinem Rücken bequem alles beobachtete und die Nase in den Wind steckte.
An der Lagune Valodores vorbei musste auf winzigen Treppenstufen alles wieder nach oben und hier machte sich die Höhe bemerkbar. Wir schnauften aus allen Löchern und mit schwirrendem Kopf schnappten wir erstmal einem Weile nach Luft, bevor wir auf dem Mirador die Aussicht auf die Lagune mit ihrem schwarzen Wasser genossen.
Zurück auf der Panamericana fuhren wir nun wieder nach Süden und machten einen kurzen Halt in der bekannten Lederstadt Cotocachi. Für wohlhabende Touristen ist dies wahrlich ein Paradies. Hier gibt es alles an Leder was das Herz begehrt. Jacken, Schuhe, Taschen und Pferdesättel. Nach dem Kauf eines neuen Geldbeutels war für uns Schicht mit Shopping und nachdem wir durch das Städtchen geschlendert waren, kehrten wir in ein Restaurant ein und liessen uns das Regionstypische Gericht Carne Colorado schmecken.
Am nahe gelegenen Lago San Pablo parkten wir direkt neben Seeufer am Spielplatz. Wir hatten was fürs Auge und Romy tobte sich mit den Kindern des Dorfes aus. Baby Levi wurde gleich mit einbezogen, und ein 10 Jähriges Mädchen zeigte mir, wie man ohne mit der Wimper zu zucken stundenlang ein zahnendes Baby bei Laune hält. Bei ihren 2 Geschwistern hatte sie einiges gelernt und brachte mich zum staunen. Ganz sprachlos war ich dann als sie ganz verwundert war, warum ich nur 2 Kinder habe.
Weiter ging es über eine holprige Pflasterstraße steil und eng nach oben bis auf 3. 700 Metern zur Lagune Mojanda wo wir unseren Frosch direkt am Wasser parken konnten. Wir spazierten an der Lagune entlang und als sich die Wolken lichteten, bestiegen wir nach einem holprigen Marsch durch die hohen Wiesen den Vulkan Fuya-Fuya für eine malerische Aussicht auf die Lagune.
Der Vulkan Fuya-Fuya
Ecuador besitzt mit die Besten Strassen von Südamerika und über eine fantastische Panamericana rasten wir die Berge hinab in den Süden.
Immer mit dem Blick auf das Navigationsgerät. Und ehe wir uns versahen, waren wir auch schon drüber. Über den Äquator. Zu gerne hätten wir diesen besonderen Augenblick zelebriert und angehalten, aber weit und breit keine Möglichkeit. Erst 40 Kilometer später, am Mitad del Mundo brachten wir den Frosch zum stehen und konnten verschnaufen. Hier wurde bereits kräftig für uns gefeiert und ein Umzug brachte den Verkehr zum erliegen. Das liessen wir uns natürlich nicht entgehen und schlossen uns dem fröhlichen Treiben an. Wilde Tänzer mit den unterschiedlichsten Masken und Verkleidungen zogen tanzend durch die Gassen, begleitet von einer marschierenden Kapelle die in den für uns Europäer schrägsten Tönen musizierte. Zwischendrin wurden Raketen abgeschossen. Den Ende des Zuges begleitete eine stumme Menschenmenge, die einen Jesusschrein trugen und ein Auto mit einem Bonbon-werfenden Mädchen.
Wir verbrachten die Nacht auf N 0.0000 vor dem riesigen Äquator Monument und am nächsten Morgen konnten wir offiziell unseren Meilenstein der Reise zelebrieren. Waren wir doch noch vor einem Jahr an dem nördlichstem Punkt unserer Reise am Polokreis beziehungsweise sogar noch ein Stück weiter oben, ganz am Anfang der Panamericana am Eismeer, hatten wir nun die Äquatorlinie erreicht, von der es nun definitiv nach Süden weiterging. Auf der dicken gelben Linie zu Füßen des Monuments wanderten wir von der Nord- zur Südkugel und wieder zurück und schossen fleissig Fotos. Dann hatte Baby Levi hatte seinen grossen Auftritt. Er hatte vorher schon fleissig geübt und durfte nun über den Äquator krabbeln. Das schafft auch nicht jeder.
Folgt man der gelben Linie, steht man vor einer Kapelle und fanden auch hier einen besonderen Ort vor, um sich das Ja-Wort zu geben.
180 Meter weiter, und das nahmen wir in diesem Falle ganz penibel, befindet sich das Museum Inti Nan. Hier ist der offizielle, der richtige Mittelpunkt der Welt. Neben einer Demonstration in der Herstellung von Schrumpfköpfen wurde uns in verschiedenen Experimenten die physikalischen Auswirkung des Äquators dargestellt.
Nur hier kann man ein Ei auf einem Nagel abstellen,
die Zeit und das Datum ablesen
nur mit Mühe bei geschlossenen Augen und erhobenen Armen gerade balancieren. Das Wasser fliesst auf der Nordhalbkugel links herum, im Süden rechts herum und genau auf der Äquatorlinie senkrecht ab.
Voll neuer Eindrücke und Erkenntnissen schlossen wir hier das Kapitel Nordhalbkugel ab und starteten los in neue Abenteuer auf der Südhalbkugel. Ab jetzt werden die Schatten wieder länger und vor allem die Nächte wieder kürzer.