23.01. – 14.02.2017
Nach vielen sonnigen Tagen in Chile lernten wir das patagonische Wetter von seiner rauen Seite kennen – statt 30 Grad und Sonnenschein strömender Regen und ein eiskalter Wind. Einmal nicht aufgepasst, schon riss es mir beim verlassen des Führerhauses die Tür aus der Hand. Abgebremst durch den Blinker, der mit einem lauten Krachen auf den Boden bröselte. Hinter uns schützten die Berge vor den Böen, vor uns lag nun die Pampa und der Wind würde unser stetiger Begleiter sein.
Wir verschnürten die Türen mit dem Fahrerhäuschen um keine bösen Überraschungen mehr beim Aussteigen zu erleben. Für die Tür des Koffers mussten wir noch ein wenig Gefühl entwickeln: Viel Kraft, damit sie überhaupt aufging, ab 45 Grad den Schiebemechanismus in Zugkraft umwandeln, um nicht mit dem Griff in der Hand aus dem Laster zu fallen. Ist parallel dazu noch ein Fenster geöffnet, sorgt der entstandene Durchzug dafür, das alles, aber auch wirklich alles herumliegende in Sekundenschnelle herausgesaugt wird. Da erwiesen sich dann die Zäune als äusserst hilfreich, dort kann dann wieder aufgesammelt werden.
Durch mehrere Viehgatter hindurch war der sehr einsamen Paso Rodolfo Roballos erreicht. Wie aus dem Nichts tauchte neben der Schotterpiste ein kleines Haus mit Schlagbaum auf. Wir verliessen Chile und begrüssten nach einer abenteuerlichen Fahrt durch das Niemandsland erneut Argentinien, mittlerweile in dicker Winterkleidung eingepackt. Die Zollbeamten hatten nicht viel Lust, den Laster zu durchsuchen. Schnell eilten sie in ihre kleinen warmen Hütten zurück. Kaum in Argentinien, war von Schotterpisten keine Spur mehr. Neu geteerte, schnurgerade Strassen der Ruta 40 – eine willkommene Wohltat nach den letzten holperigen 1.350 Kilometern auf der Carretera Austral. Die Landschaft ist eintönig, weitgehend unbesiedelt. Links und rechts der Strasse Zäune. Wie auch in Chile ist das Land weitestgehend in Privatbesitz und wird so von den Eigentümern abgegrenzt. Zum grossen Nachteil für Rinder und Guanakos, die sich dort verfangen und qualvoll sterben.
Gerade hatten wir uns an das lautlose dahingleiten gewöhnt, mussten wir für einen Abstecher ins Hinterland schon wieder auf eine 50 Kilometer lange ruppige Nebenstrasse wechseln. Hier liessen sich die ersten Nandus blicken und im Zickzackkurs wichen wir Gürteltieren aus, die noch schnell auf die andere Straßenseite rannten.
In der Schlucht des Rio Pinturas, die etwa 9.500 vor Christus bis 1.000 nach Christus besiedelt war, haben die indianischen Ureinwohner zahlreiche Malereien hinterlassen, die zu den ältesten menschlichen Zeugnissen in Südamerika gehören und von der UNESCO zum Weltkulturerbe aufgenommen wurden. Zum 5. Mal auf dieser Reise zierte ein Helm mein Haupt und gut geschützt vor fallenden Felsbrocken wanderten wir zu den Cuevas de las Manos – den Höhlen der Hände.
Der Blick in die Schlucht war beeindruckend, die Malereien ein wahrhaftiges Kunstwerk. Tausende Handabdrücke zieren die glatten Felswände, meist im Negativ-Druck, dazwischen Tierdarstellungen und Kampfszenen in den verschiedensten Farben.
Nach einem kompletten Fahrtag durch ereignisloses Nichts erreichten wir endlich wieder eine Stadt und einen Supermarkt – den ersten seit 422 Kilometern. Das entspricht einer größern Entfernung als von München nach Frankfurt. Die Auswahl ist überraschenderweise verhältnismässig groß. Bei den Preisen möchte man jedoch am liebsten schreiend alles stehen und liegen lassen, besonders weil es einem an der nächsten Grenze zu Chile sowieso wieder abgenommen wird.
Wir denken uns wieder gute Verstecke vor den Zöllnern aus und stockten kräftig auf. Wie eine Insel liegt die Stadt Gobernador Gregores in der Pampa, die Menschen sind hier vollkommen isoliert von der Außenwelt. Anlaufstelle für jedermann scheint der zentral gelegene Spielplatz zu sein, leider mit seinen negativen Begleiterscheinungen. Ich zog so einige merkwürdige Blicke auf mich, während Glasscherben, Zigarettenstummel und sonstiger Müll in meine Tüte wanderten. Romy tobte sich derweil aus, aber erst nach der Grundreinigung konnte unser Krabbelkind Levi losgelassen werden.
In der Hochsaison sammeln sich an den Ortsausgängen hunderte von Rucksacktouristen und betteln förmlich mit Daumen nach oben die wenigen vorbeifahrenden Autofahrer an. Spontan luden wir ein verzweifelt dreinblickendes Pärchen ein bei uns mitzufahren. Ihre Freude war riesig, schließlich harrten sie schon mehrere Stunden am Strassenrand aus. Die Euphorie währte leider nur kurz, da wir ständig die Namen unseres nächsten Ziels El Chaltén mit dem 150km Kilometer entfernten Ort El Calafate verwechselten. Nur 15 Kilometer später war der Fehler bemerkt und wir wieder zu viert unterwegs.
Schon von weitem ragte aus dem platten Land ein massiges, bedrohlich wirkendes Gebirge hervor – die Wolken und der Regen unterstrichen die Dramatik – das Massiv des Fitz Roy und Cerro Torre. Einem der grossen Highlights in Patagonien. Ich konnte den Blick kaum abwenden und Meter für Meter stieg die Vorfreude.
El Chaltén ist ein kleines verschlafenes Dorf, direkt unter dem Massiv, mit herrlicher Lage im Nationlapark Los Glaciares. Während der kurzen Sommermonate erwacht es dank des Tourismus ein wenig zum Leben. Hostels und Restaurants dominieren die Hauptstrasse, in den Gemischtwarenläden sind es eher die leeren Regale. Die Preise sind jenseits von gut und böse, Frischfleisch hat den Namen nicht verdient, in den Holzkisten der Obst und Gemüseabteilung herrscht gähnende Leere. Einzig Tomaten und Karotten in erbärmlichem Zustand warten auf einen Käufer. Die Restaurants sind voll, und auch wir wollten uns nach einigen Wochen der Selbstversorgung mal wieder verwöhnen lassen. Eine Waffel mit Eis, das Billigste auf der Karte, schmeckte hervorragend, schrie mit 10 Euro pro Portion aber nicht nach Wiederholung.
Am Dorfausgang fand sich ein herrlicher, einsamer Stellplatz am Fluss, und bald zeigte sich auch warum dort keiner bleiben wollte. Der Wind nahm mehr und mehr an Kraft zu – der Frosch mit seinen über 8 Tonnen kam ins Wanken und schaukelte sich ein. Soweit, dass wir Angst bekamen einfach umgeworfen zu werden. Der berühmte patagonische Wind hat es wirklich in sich!
Am folgenden Tag erwartete uns ein fast wolkenloser Himmel und bescherte einen überwältigenden Blick auf die Berge. Ein wenig Glück gehört dazu, den 3.405 Meter hohen Fitz Roy in seiner gesamten Pracht zu sehen. Vom hinter dem Massiv beginnenden Inlandeis drücken die Wetterfronten am und über den höchsten Berg im Süden Patagoniens vorbei, sodass er häufig von Wolken verhangen ist.
Wir schnürten unsere Wanderschuhe und erkundeten den ersten Trail bis zur Laguna Capri. Es war mächtig was los auf den schmalen Pfaden, und teilweise wanderten wir mit der Nase im Hintern des Vordermanns den Berg hinauf. Wir ernteten einigen Respekt, die steilen Hänge mit Gepäck und den Kindern als zusätzliches Gewicht zu meistern. Nach knapp zwei Stunden bezwangen wir die 400 Höhenmeter, wanderten durch den Märchenwald mit seinen knolligen Bäumen deren Äste lustige Bärte tragen, bis zum Aussichtspunkt und sahen: Nichts. In der kurzen Zeit schlug das Wetter von Himmel in Hölle um und ein Gewitter kündigte sich an.
Gerade rechtzeitig waren wir wieder Zuhause, als das Unwetter einsetzte. Am nächsten Morgen war alles vorbei und bei erneut herrlichstem Sommerwetter stiegen wir zum Aussichtspunkt des 3.102 Meter hohen Torre Mountain. Die Wanderung glich eher einer Bergbesteigung, teilweise so steil, dass es nur mit Hilfe von Halteleinen aufwärts ging. Oben angekommen erwartete uns dieses Mal eine tolle Aussicht auf das Massiv.
Auf der Weiterfahrt trafen wir durch Zufall unseren langjährigen Freund Dany, der mit seiner Freundin Flavia und ihrem Begleiter Pascal in einem alten VW LT namens Lucy durch Südamerika reisen. Nun waren 3 Fahrzeuge unterwegs, die 6 Jahre zuvor gemeinsam in Indien am Strand von Goa verweilten.
In El Calafate, auch als Welthauptstadt der Gletscher bezeichnet, kamen wir überhaupt nicht klar. Menschenmassen, hauptsächlich Touristen. Zu lange waren wir einsam in der freien Natur unterwegs, und dahin zog es uns umgehend zurück. Nahe der Stadt fand sich ein ruhiger Strand am Lago Argentino, und dort konnten wir das Wiedersehen feiern. Es regnete und war kalt, tat dem ganzen aber keinen Abbruch.
Im Konvoi verlagerten wir am nächsten Morgen den windigen Stellplatz ein paar Kilometer weiter an den Lago Roca. Ein Campingplatz, der unsere Herzen höher schlagen ließ – weitläufig, Wiese, windgeschützt von vielen Bäumen, ausgestattet mit grossen Feuerstellen, Blick auf See, schneebedeckte Berge und den Gletscher Perito Moreno. Dort trafen wir zufällig auf unsere lieben Freunde Anita und Roger. Über ein Jahr fuhren wir aneinander vorbei. Das letzte Zusammentreffen war in Mexiko, als sie uns überraschenderweise in unserem Apartment in Cancún besuchten. Endlich konnten wir ihnen unseren kleinen Levi vorstellen, der ihnen seinen Zweitnamen Ramón verdankt.
Unter einem sternenklaren Himmel drängten sich dann 13 Personen um die Feuerstelle – jeder hat bei der Herfahrt fleissig Holz vom Strassenrand gesammelt – und aus Zittern in der strammen Kälte wurde ein warmer, geselliger Abend. Dass etwas in der Luft liegen muss, darüber waren wir uns alle einig, vor zehn Uhr schaffte es seit Ankunft in Patagonien keiner aus dem Bett, während draussen Fuchs, Stinktier und Gürteltier spazieren gingen.
Flavia, gelernte Pilates-Lehrerin, lud uns zu einer Yoga-Stunde ein, die wir ausgiebigst genossen. Es war so ruhig rings herum, das wir den Gletscher kalben hören konnten.
Der Tag blieb entspannt, immer mit Blick in den Himmel, der bestes Wetter für den nächsten Tag ankündigte. Am Morgen klingelte für uns alle ausnahmsweise der Wecker, die Sonne lachte und so fuhren alle vom Lago Roca aus entlang des Lago Argentino über eine ruppige Schotterpiste durch eine malerisches Landschaft, bis zum Perito Moreno Gletscher – der Attraktion im südlichen Teil des Nationlparks Los Glaciares.
Der Perito Moreno, ein Ausläufer des riesigen Patagonia Ice Field, mit 22.000 Quadratkilometern nach der Polregion zu den grössten Eismassen der Welt gehörend, ist 30 Kilometer lang, und die Gletscherzunge ragt bis zu 5 Kilometer breit und 60 Meter hoch aus dem türkisblauen Lago Argentino heraus.
Wir besetzten den noch leeren Besucherparkplatz direkt vor dem Gletscher. Zu Gesicht bekamen wir ihn hier noch nicht, aber die abstrahlende Kälte zeugte von seiner Präsenz. Lange Holzstege führen direkt an die Gletscherkante und verleiten zu ausgedehnten Spaziergängen, für die ein ganzer Tag kaum ausreicht. Die großen Aussichtsplattformen laden zum Verweilen ein, um ein gewaltiges Naturspektakel zu beobachten, denn er ist einer der wenigen wachsenden Gletscher weltweit.
Pro Stunde bewegt er sich einige Zentimeter vorwärts. Die stetige Bewegung und der Druck lassen es donnerartig Knarren. In unbestimmten Abständen brechen gewaltige Brocken von der Gletscherzunge ab und rauschen mit ohrenbetäubenden Getöse ins Wasser. Über mehrere Stunden erlebten wir das Kalben und schlotterten trotz dicker Winterkleidung vor uns hin.
Ein unvergessliches Erlebnis und ein schöner Abschluss für die gemeinsame Zeit mit Dany, Flavia und Pascal. Die drei zog es zum Klettern zurück nach El Chaltén – mit dem Ziel, den Fitz Roy zu besteigen. Bei dem Gedanken war es mir etwas mulmig zumute, und zum Abschied wurde jeder fest mit der Bitte umarmt, gut aufzupassen. Wenige Tage später ist es Dany und Pascal tatsächlich gelungen, auf dem Gipfel zu stehen, und wir freuten uns sehr für diesen Erfolg.
Die nächste Etappe führte erneut durch die Pampa, einer trostlosen Gegend bis zur Grenze nach Chile. Es tat gut, dieses Nichts. Eine willkommene Notwendigkeit, die vielen Eindrücken sacken zu lassen. Riesige Ländereien zogen an uns vorbei, wir sahen vereinzelte, vom Reichtum zeugende Estancias, Unmengen an verendeten Rindern herumliegen, und noch mehr davon herumstehen.
Kurz vor der Ausreise aus Argentinien suchten wir ein ruhiges Plätzchen um uns für die chilenische Fruchtkontrolle vorzubereiten. Obst, Gemüse, Milch, Honig, Eier und Fleisch wird konfisziert – das der nächste Supermarkt 200 Kilometer entfernt liegt, ist egal. Beim Verstecken waren wir bereits geübt und die teuer erstanden Lebensmittel wanderten in diverse Stauräume. An der Grenzstation war die Hölle los und wir hatten das Pech, 2 grosse Reisebusse vor uns zu haben. Alle mit dem Gleichen Ziel wie wir. Nach 2 Stunden war es ausgestanden und der ganze Laster wurde durchsucht. Zu meinem Erschrecken mit einem Hund. Der fand auch sofort die versteckten Eier – vom letzten Grenzübertritt nach Chile im Dezember. Beim Einpacken rutschte dies dem Zöllner aus der Hand, in Folge dessen war er so peinlich berührt, daß der Rest der Kontrolle aus einem 10-minütigen Smalltalk bestand und wir, nun zum 5. mal in Chile, nicht verhungern mussten.
Unser Ziel war der Torres del Paine Nationalpark, einem der meistbesuchten Nationalparks der Welt. Von der UNESCO zum Biosphärenreservat erklärt, zählt er zu den wunderbarsten Berglandschaften der Erde. Wie aus dem Nichts tauchten die knapp 3.000 Meter hohen Türme abrupt aus der patagonischen Steppe vor uns auf. Bis wir unseren Stellplatz an der Laguna Azul erreichten, änderte sich mal wieder schlagartig das Wetter und die Berge verschwanden hinter einer mächtigen Wolkenwand. Der nächste Tag versprach keine Besserung, hinzu kamen Regen und Kälte. Thorben und André mussten viel Bier trinken bis sich zum Abend der Himmel aufklarte.
Am nächsten Morgen erlebten wir mal wieder den häufigen Wechsel des patagonischen Wetters. Die Sonne begrüsste uns und präsentierte einen imposanten Blick auf die Cuernos – die Hörner – dieser mächtigen Gebirgsketten. Unsere Vorfreude auf den Park konnte nicht grösser sein – und das Wetter nicht besser.
Auf der Fahrt über Schotterpisten durch den Park sahen wir die markanten 3 granitenen Felsnadeln aus verschiedensten Perspektiven. Auch die Guanakos und Nandus genossen die herrliche Aussicht.
Ursprünglich bedeckte ein großer Naturwald den Park, durch die Fahrlässigkeit eines Touristen verbrannten jedoch über 13.000 Hektar der Fläche und die Folgen des Feuers sind überall präsent.
Am tosenden Salto Grande, dem grössten Wasserfall des Parks, starteten wir unsere Wanderung durch eine traumhafte Landschaft.
Die abgestorbenen Baumreste sorgten für freie Sicht auf die Berge und unterstrichen das fast unwirkliche Panorama.
Der chilenische Feuerbusch
Trotz des Besucheranstroms sahen wir keine weiteren Menschen unterwegs und genossen am Lago Nordenskjöld die Aussicht. Auf einem grossen Baumstamm sitzend, luden wir die Energiereserven wieder auf und genossen die Ruhe und Schönheit um uns herum. Nur die ständigen Lawinenabgänge des gegenüberliegenden Gletschers unterbrachen die Stille.
Einen ganzen Tag durchfuhren wir den Park bis an das südliche Ende und kamen dabei aus dem Staunen nicht mehr heraus. Unsere Lebensmittelvorräte neigten sich leider dem Ende zu und ließen uns nur noch einen Tag Zeit. Diesen nutzten wir für einen Besuch der Laguna Grey.
Die Wanderung führte uns zuerst über eine schwingenden Holzbrücke zu einen dichten Wald und Buschlandschaft und wir erahnten, wie noch vor dem großen Feuer der übrige Teil des Parks ausgesehen haben muss. Erst an der Lichtung eröffnete es den Blick auf die weite Landschaft und die Berge dahinter .
Über eine lange Kiesbank kämpften wir gegen den mächtigen, kalten Gegenwind an bis zum Ufer des Lago Grey, den Blick stets auf den Grey Gletscher und die gigantischen herumtreibenden leuchtend blauen Eisschollen gerichtet.
Das kristallklare Eis am Ufer sah nicht nur schön aus, schmeckte unserer Romy auch hervorragend.
Wir verliessen den Nationalpark in Richtung Süden und mit uns verabschiedete sich auch das gute Wetter, das in einen Dauerregen umschlug und von den Torres bald nichts mehr zu sehen war.
Begleitet wurden wir von einem hämmernden Krachen, das zu sich Anfangs keiner Ursache erschloss. Immer wieder blickte ich aus dem Fenster und suchte die Quelle, die sich schließlich als gebrochener Dachgepäckträger herausstellte. 2 Schweissnähte hielten dem Geruckel auf den ständigen Pisten nicht stand. Kurz darauf beförderte ein entgegenkommendes Fahrzeug einen Stein direkt auf unsere Windschutzscheibe und hinterließ einen großen Steinschlag. Der Riss wuchs mit jedem Schlagloch, wir schafften es jedoch noch rechtzeitig bis nach Puerto Natales. Service wird hier gross geschrieben und Hilfe kam direkt zu unserem Parkplatz am Golf Almirante Montt gefahren. Ein Schweisser war auch zu finden und alle Probleme in kürzester Zeit beseitigt.
Die entspannte Phase hielt nicht lange an, da sich einer der vielen schlechtgelaunten Strassenhunde beim einem Spaziergang in Thorben’s Bein verbiss. Erst mit Hilfe von Passanten, die mit Stöcken auf das wilde Tier einschlugen, liess dieser ab. Die Wade schwoll rasch an und sein Kreislauf verabschiedete sich. Es war Eile angesagt, denn trotz der Tollwutimpfung muss mehrmals aufgefrischt werden. Im hiesigen Krankenhaus stellten wir uns hinter einer 10-köpfigen amerikanischen Reisegruppe an, die ausgerechnet jetzt ihren Check-Up vornahm. Wenigstens war die Versorgung kostenlos. Nachdem ein kleiner Junge an den Folgen der Tollwut verstarb, wird in Chile die komplette Behandlung/Impfung bei Hundebissen vom Staat übernommen.
5 Wochen waren Sina, Andre, Eva und Luis unsere Gefährten und im Hinterkopf schwirrte immer der Gedanke, dass irgendwann ein Abschied folgt. Die Zeit der Trennung war gekommen – wir wollten weiter in den Süden während es unsere Freunde in den Norden zog. Nahe Puerto Natales fanden wir einen schönen Platz am Meer, packten unsere gemeinsamen Bekannten Thomas und Chris, die wir zufällig am Parkplatz trafen, mit ein. Der Abschied wurde ausgiebig über 2 Tage zelebriert. Die Kinder, mittlerweile die dicksten Freunde, waren ahnungslos in ihre Welt vertieft, wir feierten mit einem typischen Asado und genossen Whisky on the Rocks mit kristallkarem Grey-Gletschereis.
Am Schiffsfriedhof trennten sich nun endgültig unsere Wege. Wir machten es kurz, beschlossen das Wiedersehen in unserer gemeinsamen Heimat. Den Kindern war es nicht wirklich bewusst, was nun folgte. Für sie war es einfach so wie immer – als ob die zwei grünen Laster auch am nächsten Tag wieder nebeneinander stehen würden. Es war eine wunderschöne Zeit zusammen und wir sind gespannt, ob es tatsächlich in Deutschland klappt oder in welchem Teil der Welt es das nächste Mal sein wird
Unser nächstes Ziel: Punta Arenas. Die südlichsten Stadt des südamerikanischen Kontinents. Viel Strecke für wenig Zeit, um zeitnah die nächste Tollwutimpfung und Wundversorgung zu erhalten. Mit der Idylle war es vorbei. Zwar fanden sich immer schöne Plätze am Meer, jedoch so vermüllt und übersät mit Scherben, dass an wegräumen nicht zu denken war. Auch morgendliche erste Blick aus dem Laster war enttäuschend, kein anderer Grüner stand mehr daneben. Daran mussten wir uns erst einmal wieder gewöhnen. Noch vor dem Eindunkeln fuhren wir am Ufer entlang auf dem Parkplatz an der Küste der Magellanstrasse, begleitet von einer Gruppe springender schwarz weissen Delphinen, die uns den Weg weisen wollten: Zur Fähre und dem Tor nach Feuerland. Wir waren gespannt auf den letzten Abschnitt in Richtung Süden, der Schlag auf Schlag mit Ereignissen zum Feiern lockt, und unseren grossen Traum vom nördlichsten bis zum südlichsten Punkt Amerikas zu fahren erfüllt.