30.09. – 18.10.2016

Erst am späten Nachmittag verliessen wir das Grenzgelände. Dank der stundenlangen Militärzeremonie auf der ecuadorianischen Seite standen die Menschen an der Immigration schlange. Hinzu kam noch, dass die Beamten zwar einen Computer zur Bearbeitung hatten, aber anscheinend noch nicht lange. Mit einem „10-Finger-Suchsystem“ tippten die kurz vor der Rente stehenden Herren in gähnender Langsamkeit unsere Daten ein. Kurz vor Feierabend rollten wir müde durch die Schranke und Peru begrüsste uns mit unerwarteten Bildern.

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Ärmliche Hütten in einer vermüllten, trockenen, trostlosen Gegend, verrückte Tuktuk-Fahrer, die unangemeldet auf dem Highway stehen blieben, herrenlose Ziegen-und Eselherden mitten auf der Panamericana und zuguterletzt noch Betrunkene, die lebensmüde aus dem Nirgendwo plötzlich direkt vor dem Laster torkelten. Sämtliche Stellplätze waren nicht sehr vertrauenserweckend und anstatt direkt an der Hauptstrasse auf dem Präsentierteller zu stehen, fanden wir letztendlich noch ein hübsches verstecktes Plätzchen direkt an einem ausgetrockneten Flussufer.

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In der ersten richtigen Stadt angekommen erwartete uns das Chaos schlechthin. Der Verkehr ist ein Albtraum und wird zur Zerreissprobe – die Peruaner scheinen ihren Führerschein zusammen mit den schrottreifen Autos gekauft zu haben. Rücksichtslos wird die Spur gewechselt, gehupt wird zu jeder Gelegenheit, die Tuktuks in Scharen noch mittenreingequetscht, Fussgänger wohin man blickt die zwischen den massenhaften kleinen Strassenständen umherirrten.

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Völlig gestresst und genervt von dem Gehupe fanden wir einen grossen Supermarkt wo wir uns mit Lebensmitteln versorgten und suchten schnellstens wieder das Weite. Die Campingplätze hingegen überraschten uns vollkommen. Kleine, ruhige grüne Oasen, die einen das staubige, dreckige Chaos schnell vergessen liessen. Auf dem ersten blieben wir gleich ein paar Tage um das Gesehene zu Verdauen.

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Wir folgten der Panamericana, die im Norden des Landes grösstenteils in Küstennähe entlangführt. Als hätten wir noch nicht genug Elend gesehen, toppte die folgende Strecke alles. Kilometerlang ging es durch endlose Wüstenlandschaften, die von Mal zu Mal öder wurden. Anfangs sahen wir noch vereinzelt Bäume oder Dünen, was jedoch schleichend in eine graue Landschaft aus Nichts überging.

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Der einzige Eyecatcher waren Müllberge, die etwas Farbe ins Spiel brachten. Hier läd der Peruaner alles ab, was nicht mehr gebraucht wird. Ohne Rücksicht auf die Umwelt stapeln sich hier ausrangierte Fernseher, Autoreifen und der ganz normale Hausmüll. Und das über Distanzen und Mengen, die man sich nicht einmal im Ansatz vorstellen kann, würde man es nicht stunden- und kilometerlang an sich vorbeiziehen sehen.

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Wir verliessen die Müllkippe und zweigten nach Sipan ab. Aber auch in den Städten sah es nicht besser aus. Die Häuser bestehen aus lehmbraunen Ziegeln die nur verputzt werden, wenn man die Fläche amtierenden Parteien oder einem Mobilfunkanbieter als Werbefläche zu Verfügung stellt. Die Lehmhäuser gehen übergangslos in staubigen Strassen über, wo sich an jeder Ecke die Ziegelsteine und der Müll häufen. Würden wir es nicht besser wissen, könnte man sich in einem ehemaligen Kriegs-oder Erdbebengebiet aufhalten.

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Grund unseres Aufenthaltes in dieser Stadt war das Museo Tumbas Reales de Sipan. Das 2002 eröffnete Museum stach vollkommen aus der Umgebung heraus, und wir fühlten uns wie auf einem fernen Planeten angekommen. Ein riesiges sauberes Areal, durchzogen von grossen gepflegten Rasenflächen, und mittendrin die dreistöckige Pyramide.

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Hier werden die Hinterlassenschaften der Moche-Kultur gezeigt, beginnend mit Dokumentationen über die Ausgrabungen. Im gesamten Museum ist es stockfinster und nur die Ausstellungsobjekte sind dezent beleuchtet. Am Eingang mussten wir alle Fotoapparate und Handys abgeben, denn der Nationalschatz darf nicht fotografiert werden. Wir staunten über die aussergewöhnlichen Gold-, Silber und Metallarbeiten, Schmuck und Fresken – sowas hatten wir in dieser Art noch nie gesehen und es war eine sehr interessante Ausstellung.

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An Ende des Rundgangs konnte noch ein Blick in die originalgetreue Nachbildung des Grabes vom Herrn von Sipan geworfen werden. Der Herrscher wurde samt seiner drei Haupt- und Nebenfrauen, drei Kriegern samt Militärchef, einem Dienstboten und einem Grabwächter mit amputierten Füssen, einem Lama und einem Hund – die alle für die Beisetzung getötet wurden –  in die Ewigkeit begleitet.

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Zurück in der Wirklichkeit befanden wir uns wieder im Dreck, trostloser Wüste und einer endlosen Panamericana. Als sich aus dem Wüstenboden ein unbewohntes Ruinenfeld auftat, das weder von Parteiwerbungen oder von Müllbergen verschandelt war, wussten wir, es kann nur die UNESCO-Weltkulturstätte Chan-Chan in Trujillo sein .

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Die alte Inkastadt, welche um 1300 errichtet wurde,  ist mit 26 Quadratkilometern Fläche die grösste Lehmziegelstadt der Welt. Trotz der Zerstörung durch die in 1925 niedergegangene gewaltige Regenflut sind noch viele Adobe-Reliefs des riesigen Geländes sehenswert. Wir schlenderten unter einer gnadenlos brennenden Sonne durch die langen Gänge mit Ihren hohen Mauern und nach einer Stunde waren wir froh, wieder im Laster zu sein.

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Mit dem nahegelegenen Örtchen Huanchaco erreichten wir zum ersten Mal das Meer und hier fanden wir einen Platz zum entspannen und für Spaziergänge an der Promenade.

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Der Badeort ist vor allem bekannt für die Caballitos de Totora – kleine spitzschnabelige Boote aus gebündeltem Schilfrohr. Sind die Fischer damit nicht gerade unterwegs, stehen sie aneinandergereiht an dem weitläufigen Strand.

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Noch wie ihre Vorfahren fangen sie den frischen Fisch,

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der dann als feuriges Ceviche auf unserem Teller landete.

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Satt von der öden Wüstenlandschaft machten wir einen Abstecher in die langsam am Horizont erscheinenden Berge. Laut Aussage eines Einheimischen wird Peru erst ab über 3.000 Meter schön, und davon wollten wir uns natürlich selbst überzeugen.

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Wir tauchten ein zwischen Wüste und Felsen

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und fanden uns in einer grünen Oase wieder an dessen Flussbett sich Reisterrassen und Wein abwechselten.

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Zwischen den Kakteen hindurch fanden wir einen idyllischen Stellplatz direkt am Ufer des Flusses und waren mehr als glücklich: in der freien Natur zu stehen und zu wissen, dass wir auf dem besten Wege waren, Peru von seiner schönen Seite kennenzulernen.

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Am nächsten Tag erwartete uns eine absolute Topstrecke: durch den Canon del Pato – der Entenschlucht. Eine einspurige Strasse mit 35 Tunneln, abenteuerlichen Brücken, schroffen Felswänden und Schluchten, die an manchen Stellen knapp neben dem Laster steil herabfielen. An den vielen uneinsehbaren Kurven wiesen uns die Strassenschilder darauf hin, die Hupe zu benutzen um entgegenkommende Fahrzeuge zu warnen. Hier kann der Peruaner seiner eh schon ausgelaugten Hupe den Rest geben. Nääät-Nääät.

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Enten suchten wir vergeblich, aber es war trotz alledem spektakulär.

 

Im kleinen Andenstädtchen Caraz angekommen hatten wir unbemerkt wieder die 2.000 Höhenmeter überschritten und wir fanden das Peru vor, so wie wir es uns vorgestellt hatten. Vor uns die hohen Berge der Cordillera Negra und dahinter spitzten die weissen Kuppen der Cordillera Blanca hervor. Von Müll und Dreck keine Spur mehr, dafür saubere Gässchen und hübsche Lehmhäuser. Am Plaza de Armas angekommen erblickte ich eine Cholita und es war um mich geschehen. Die erste indigene Frau in Peru, bekleidet mit einer  bunten Pollera (Überrock) und mehreren Schichten von Unterröcken, bunte Hose, einem Schultertuch und einem typischen grossen Hut. Wir folgten ihr einige Meter und fanden uns auf dem riesigen Marktplatz wieder – hier wimmelte es von Indigenas. Wir verloren uns in dem Gewirr aus Menschen und den unterschiedlichsten Verkaufsständen des täglichen Gebrauchs.

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Die Fleischabteilung glich einem Horrorkabinett, wo die Händler abwechselnd Tiere zerlegten oder Fliegen verscheuchten. Zwischendrin eine Schaar von Hunden, die auf ein herunterfallendes Häppchen warteten.

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In einem nahegelegenen Restaurant trafen wir durch Zufall unsere Reisefreunde Ulli, Ralf und Karl aus Ecuador wieder und verabredeten, uns auf dem Campground zu treffen. Dort verbrachten wir entspannte Tage, die vor allem für die Freunde Romy und Karl gedacht waren, um sich ordentlich auszutoben.

Das angeschlossene, riesigen Erdbeerfeld wurde geplündert

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und wenn die Sonne zu sehr vom Himmel drückte, wurde in der grossen roten Waschtonne nach Abkühlung gesucht.

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Dank des fast wolkenlosen Himmels nutzten wir die Gelegenheit und fuhren in die Schluchten der Cordillera Blanca hinein um die Seitentäler zu erkunden. Über schmale, holperige Pisten, vorbei an einsamen Hütten erreichten wir das Hochland, welches umgeben ist von über 20 schneebedeckten Sechstausendern. Die Fahrt führt uns drei Stunden aus der Stadt hinaus, durch das Umland von Huaraz. Bauernhöfe. Kühe und Lamas am Straßenrand. Hier verliess unser Frosch die asphaltierte Straße. Es ging von nun an auf Serpentinen in die Höhe. Häuser wurden immer seltener und die wenigen Höfe die es hier noch gibt, sind aus Adobe erbaut.

Die Landschaft ist geprägt von riesigen Mais- und Blumenfeldern, auf denen fleissig gearbeitet und geerntet wurde

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Mit zunehmender Höhe durchquerten wir stark riechende Eucalyptuswälder, und überall die imposanten weißen Riesen, egal in welche Himmelsrichtung man blickte.

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Wir passierten den Eingang zum Nationalpark Huascaran, welcher von der UNESCO zum Welterbe erklärt wurde und schraubten uns den Berghang hinauf zwischen riesige pechschwarze Felswände hindurch. Wir passierten die türkisblauen Llanganuco-Lagunen und trafen auf dem Campingplatz auf unsere Dresdner Freunde Ulli, Ralf und Karl.

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Dort liessen wir den Abend mit einem Pisco-Sour ausklingen und übernachteten bei einer eiskalten, sternenklaren Nacht direkt an der Lagune Oconcocha, die sich am Fuße des gewaltigen Huascarán, des mit 6.768 Metern höchsten Bergs Perus, befindet.

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Wegen des schnellen Aufstieges auf 3.800 Meter liessen wir es sehr entspannt angehen und erkundeten am nächsten Tag die Chinancocha-Lagune zu Wasser und zu Fuss. Kaum zu beschreiben, was diese Landschaft ausstrahlt. Weite, Frische, Unberührtheit. Und eine Stille, wie man sie nur aus den Bergen kennt.

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Die Queñua-Bäume am Wegesrand haben eine Rinde wie aus Blätterteig

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Eine Schlucht weiter, und „nur“ 32 Kilometer entfernt liegt die Lagune Paron. Das klingt nach keiner grossen Distanz, und doch benötigten wir mehr als 3 Stunden hinauf. Schmale Schotterpisten und engste Haarnadelkurven lagen vor uns, die wir teilweise nur mit mehrmaligem Vor- und Zurückmanövrieren bewältigten. Keine Menschenseele weit und breit, selbst der Mann an der Schranke war nur nach einigem Hupen aufzufinden. Zwischen den über 1.000 Meter hohen Steilwänden stürzten sich unzählige Wasserfälle in die Tiefen und die dicken, grauen Wolken taten das selbige.

Auf 4.170 Metern angekommen, breitete sich direkt vor unserem Parkplatz die 3,3 Kilometer lange und 600 Meter breite Lagune vor uns aus. Es regnete, der Wind pfiff eisig und die Sicht war verhangen. Trotz allem strahlte sie uns in einem herrlichen Türkis an. Am Westufer führt ein schmaler Wanderpfad entlang und wir spazierten an den schroffen Felsen entlang. Es wurde immer ungemütlicher und wir traten den Rückweg an um dem drohenden Regen zu entkommen. Zudem wollten wir den Aufenthalt wegen der unzureichenden Höhenaklimation nicht zu sehr in die Länge ziehen.

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Der 5.885 Meter hohe Nevado Piramide liess uns jedoch nicht einfach so gehen ohne Hallo zu sagen – kurz bevor wir den Zündschlüssel drehten um zurück ins Tal zu fahren, riss der Himmel auf und eine faszinierende Eispyramide prangte im Zentrum. Der markanten Berg wird von vielen als der schönste der ganzen Welt bezeichnet und dient der Filmindustrie „Paramount Pictures“ als Vorlage für das Intro. Keine 5 Minuten später war das Schauspiel vorbei, die Scheibenwischer hatten gut zu tun und wir freuten uns über diese magische Begegnung.

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Die Regenzeit hatte Caraz erreicht – schweren Herzens sagten wir nach einer traumhaften Woche Hasta Luego. Einen kurzer Boxenstopp später funktionierten die Bremsen wieder einwandfrei und nichts konnte uns mehr aufhalten, die Wolken hinter uns zu lassen und steil bergab an die Küste zu fahren.

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Als wäre alles nur ein schöner Traum gewesen, fanden wir uns wieder in Straub und Dreck. Bei Huacho verliessen wir die Panamerica über eine kleine Nebenstrasse, die in unscheinbare Fahrspuren im Wüstensand überging. Die tolle Piste führte uns direkt zu den tief abfallenden Klippen heran. Der Frosch konnte sich in den Sanddünen mal wieder so richtig austoben und fuhr die wildesten Pisten auf und ab. Bei dem ganzen Spass war jedoch höchste Konzentration gefragt um mit unserem Gesamtgewicht von fast 9 Tonnen nicht zu nah an die Aussenkanten zu fahren, die von nahem betrachtet durch die starke Brandung ausgehöhlt waren und schon recht abenteuerlich aussahen.

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An dem tief unter uns liegenden kilometerlangen Sandstrand verbrachten wir seit Kolumbien einen herrlichen Tag am Meer. Es war zwar heiss, aber die Luftfeuchtigkeit war im normalen Bereich und es wehte ein kühler Wind. Was für ein herrlicher  Nachmittag, an welchem Levi das erste Mal nach Herzenslust im Sand buddelte

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und Romy ordentlich zu tun hatte, die Unmengen an riesigen roten Krabben in ihre Löcher zu scheuchen.

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Ein perfekter Abschluss wäre es gewesen die Nacht hier zu verbringen – da sich in letzter Zeit die Überfälle auf Overlander in der Küstenregion von Peru erheblich zugenommen hatten, liessen wir das ausfallen und campten zumindest mit Meerblick und einem tollen Sonnenuntergang am nahegelegenen bewachten Naturpark.

Im herrschenden dichten Küstennebel, der die Vormittage in trübes Licht tauchte näherten wir uns der 10 Millionenstadt Lima. Schreckliche, riesige Wohnsiedlungen im Staub säumten die Panamericana, wuchsen aneinandergequetscht bis auf die schroffen Berge hinauf bis sich die Stadt in ihrem ganzen Ausmass zeigte.

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Der Verkehr wurde dichter und kam gänzlich ins Stocken. Autos überholten an den unmöglichsten Stellen, blieben mittendrin stecken und brachten den eh schon zäh fliessenden Verkehr gänzlich zum erliegen. Hinzu kamen Ampeln, die von 260 den Countdown nach unten zählten. Gute 15 Kilometer vor unserem Ziel war das Chaos perfekt und es ging so gut wie gar nichts mehr. Ich verzog mich mit den Kindern nach hinten ins Bett für einen Mittagsschlaf. Das der Peruaner nicht Auto fahren kann hatte ich schon erwähnt, wenn dann ein ganzer Haufen davon aufeinandertrifft, kann das nicht gutgehen.

Ganze 4 Stunden dauerte das Drama, und als ich am späten Nachmittag den Laster verliess, traute ich meinen Augen kaum. Wir befanden uns auf dem kleinsten Campingplatz der Welt …

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… und von den ärmlichen, zu tausenden an die Sandberge gestapelten Hütten und dem ohrenbetäubenden Gehupe keine Spur mehr. Wir waren im Vorzeigeviertel Miraflores. Hier gibt es Hochhäuser mit verspiegelten Glasfronten, die Wohnhäuser haben vor jedem vergitterten Eingangstor einen bewaffneten Wachmann stehen, es gibt Ampeln, Grünflächen und lupenreine Gehwege. Ein unerwarteter Kulturschock. Wir schlenderten durch die Wohngebiete und spätestens mit erreichen des Parks an der Küste fühlten wir uns nach L.A. in den Vereinigten Staaten zurückversetzt.

Ein Pier mit Vergnügungspark, und Gleitschirmfliegern an den Klippen über uns

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und mitten im Park ein Kinderspielplatz, der für die kleinen herausgeputzten Kinder mit Kunstrasen ausgelegt war.

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In den luxuriösen Shoppingcentern deckten wir uns mit längst überfälligen Campingzubehör ein, genossen die gute Küche, für die Lima berühmt ist und entdeckten den besten Bäcker seit langem.

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Levi´s erste Breze

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Der wahrscheinlich schönste Flecken der peruanischen Pazifikküste ist die Oase Huacachina.  Schon viele Kilometer vorher türmten sich riesige Sanddünen auf und an unserem Ziel angekommen waren wir umringt von ihnen und fühlten wir uns  in die Sahara zurückversetzt. Die Sonne knallte von einem wolkenlosen Himmel und der heisse Sand verbrannte mir die Füsse. Trotz alledem liessen wir es uns nicht entgehen, auf den höchsten Dünenkamm zu klettern.

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Von oben zeigt sich die ganze Schönheit dieses heiligen Ortes: mitten in der Wüste eine Lagune, umrahmt von Schilf und Palmen. Der Legende nach weinte eine Frau um ihren verstorbenen Geliebten und die Tränen bildeten diese eine Lagune. Die einzige Oase in ganz Südamerika.

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Von Romantik war jedoch keine Spur. Hier ist jede Menge Action geboten, wie Sandboarden und wilde Buggyfahrten. Selbst am schattigen Ufer ging es rund, hier wird im Wasser geplantscht und fleißig Tretboot gefahren.

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Die Panamericana in Südperu zwischen Pisco und Nasca ist ein sehr breiter Highway  und führt schnurgerade durch eine karge Wüstenlandschaft. Kaum Verkehr, weit und breit keine Menschenseele. Doch gerade hier reihten sich unzählige Kreuze am Strassenrand. Wie das funktioniert ist mir ein Rätsel, erklärt aber wiedereinmal so einiges über den Fahrstil.

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Wir näherten uns Nazca mit seinen berühmten Scharrbildern und bei Kilometer 425 befindet sich der Maria-Reiche-Aussichtsturm, welcher einen kleinen Vorgeschmack bot.

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Am Flughafen Maria-Reiche am Ortsrand buchte ich mir einen Flug für den nächsten Morgen, um die berühmten Nazca Linien aus der Vogelperspektive zu betrachten. Verteilt auf unglaubliche 500 Quadratkilometer Dürre und Geröll aus Stein bilden die Nazca-Linien ein umfangreiches Netzwerk aus 800 kilometerlangen Linien, trapezförmigen Flächen und 300 Figuren: Darunter befinden sich 70 Tierzeichnungen und Darstellungen aus der Pflanzenwelt, die vor etwa 2.000 Jahren in das Gestein gezeichnet worden sind. Bis heute wird gerätselt wie und warum diese entstanden sind.

Dank mitgeschleppter Oasen-Moskitos und der Aufregung konnte ich kaum schlafen. Die Rundflüge in den kleinen Maschinen sind nichts für schwache Mägen. Dementsprechend sorgte ich vor und liess das Frühstück ausfallen bevor mich ein Taxi abholte und rallyemässig am Flugplatz ablieferte. AeroParacas bietet einen Shuttleservice, der einen kleinen Vorgeschmack auf den Flug bietet.

Nachdem ich gewogen wurde und nach längerer Wartezeit die Windverhältnisse optimal waren, stieg ich zusammen mit 5 anderen Passagieren in die kleine Cessna.

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ausgestattet mit Kamera, Lageplan der  Figuren und der obligatorischen Kotztüte

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Die kleine Propellermaschine nahm Geschwindigkeit auf und schon schaukelten wir in der Luft. Bis zum ersten Bild blieb noch etwas Zeit und wir konnten die Landschaft unter uns bestaunen. Schroffe Berge, endloser karger Wüstenboden immer wieder grüne Flächen. Die Menschen schaffen es doch tatsächlich auf dem trockenen Boden noch etwas anzupflanzen.

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Der Co-Pilot gab ein Zeichen für das erste Motiv und die Maschine kippte in extreme Schräglage. Auf den ersten Blick war nichts zu erkennen und nach einer kurzen Anweisung, den Tragflächen bis zum Ende zu folgen und dann im 90 Grad Winkel senkrecht nach unten zu schauen entdeckte ich den Wal. Klar und deutlich zu erkennen.

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Es war Eile angesagt, denn das Flugzeug blieb natürlich nicht in der Luft stehen. Damit auch jeder etwas sehen konnte, flog der Pilot einmal links herum und dann den gleichen Bogen nocheinmal rechts herum. Bei diesem Flugmanöver wurde mir bewusst, dass die restlichen Figuren kein Zuckerschlecken werden würden und ich sie mir erkämpfen muss.

Die Trapeze waren viel einfacher im Steingeröll zu entdecken

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Kurz darauf folgte der Astronaut  – er wird aufgrund seines grossen Kopfes, der einem Astronautenhelm gleicht, als solcher bezeichnet.

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Die Figuren folgten nun dicht aneinander gereiht, die Maschine schaukelte durch den Wind und wir drehten ununterbrochen unsere Kreise. Achterbahnfahren ist ein Kindergarten dagegen.

Ich  ließ mir das Abendessen noch einmal durch den Kopf gehen und schaffte es trotz allem, nebenbei noch ein paar Fotos zu schießen. Meine Sitznachbarin fand das ganze ebenfalls zu kotzen und schloß sich mir an.

 Der Kolibri

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Die Spinne

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Anschliessend Hund, Affe, und der Condor mit seiner unglaublichen Flügelspanne – meine Begeisterung war trotz allen widrigen Umständen ungebrochen. Wir überflogen die Panamericana, welche mitten durch die Zeichnungen hindurchführt und – nun konnte ich auch Baum, Frosch und Alcatraz in der vollen Grösse sehen, die wir tags zuvor zwar von der Nähe, aber nur bruchstückhaft vom Aussichtsturm aus erahnen konnten.

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Nach knapp 40 Minuten war der Spaß vorbei und ich heilfroh, wieder festen Boden unter den Füssen zu haben. Die gleiche Zeit benötigte ich, um mich wieder einigermaßen zu fangen und den Rückweg zum Laster antreten zu können. Zurück beim Frosch lag ich noch eine ganze Weile auf der Wiese, bis ich vollständig regeneriert war und sich der Hunger meldete.

Passend zu den ganzen Gräbern am Strassenramd  fiel dann unser letzter Stopp in Perus Wüste aus. Wir zweigten von der Hauptstrasse ab auf eine Wellblechpiste, um uns herum nichts ausser kahle Berge, Friedhöfe und Sandhosen, welche wild hin- und herwehten.

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Die Atmosphäre war regelrecht gespenstisch für den an sich schon schaurigen Cemeterio Chauchilla. Hier liegt ein Gräberfeld aus der Zeit der Poroma-Kultur mit 12 offenen Grabkammern. Die von Grabschändern ausgegrabenen 1000 Jahre alten Mumien,  Knochen, Schädel und Stoffreste wurden von Archäologen  wieder zusammengetragen und können aus nächster Nähe betrachtet werden. Mit ordentlich Gegenwind kämpften wir uns von Grube zu Grube und waren tief beeindruckt von der Art der Darstellung und wie gut erhalten die Mumien noch waren.

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Für Romy war der Besuch keineswegs verängstigend – im Gegenteil. Sehr lehrreich konnten wir ihr die Anatomie des Menschen und den Tod erklären. Jede Grube wurde genauestens betrachtet und selbst der am Wegesrand liegende Totenkopf wurde gestreichelt.

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Nach dieser atemberaubenden Erfahrung nutzten wir die Gunst der Stunde und holten nochmals kräftig Luft: Ab jetzt führt unsere Reise ins Hochland und wir werden uns die nächsten Wochen dauerhaft auf um die 4.000 Höhenmeter aufhalten.

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